Im Interview: Detlef Conradt – Wolfsburger Tafeln e. V.
Herr Conradt, lange Jahre haben Sie sich in der Stadtmitte als Ortsbürgermeister engagiert und waren politisch im Rat unserer Stadt aktiv. Heute aber möchten wir mit Ihnen gerne über Ihr Engagement bei der Wolfsburger Tafel sprechen. Wieso haben Sie sich dazu entschieden im Rahmen Ihrer Tätigkeit dort unser Interviewformat „Daumen-Hoch fürs Ehrenamt“ zu unterstützen?
Eigentlich war 2021 der Zeitpunkt gekommen, an dem ich ehrenamtlich kürzertreten wollte. Nach 20 Jahren Kommunalpolitik habe ich auf meine Familie gehört und mit der sehr zeitaufwändigen Ortsbürgermeisterei aufgehört. Aber dann hat die Tafel von mir mehr gebraucht, Elke Zitzke musste krankheitsbedingt aufhören, die Nachfolgerin Brigitte Lotz erkrankte ebenfalls, unser 2. Vorsitzende Hans Rühl wollte nicht wieder kandidieren. Die Vorstandsarbeit verteilte sich also fortan auf zwei Personen. Das war heftig!
Am 04.01.2025 haben wir einen neuen Vorstand gewählt, die Mitglieder im Verein Wolfsburger Tafel e.V. stieg von 13 Mitgliedern auf 34 und es gab Interesse an der Vorstandsarbeit.
Mit dem neuen Vorstand sind wir ein Team von 4 Vorstandsmitgliedern und 6 Beisitzer*innen. Ich bin noch einmal für drei Jahre angetreten und wieder als Schriftführer gewählt worden. Als feststand, dass der Vorstand personell nun wieder besser aufgestellt ist, habe ich mich entschieden, mich für das Interview zu melden.
Wie lange und in welcher Funktion engagieren Sie sich schon bei der Wolfsburger Tafel? Wie sind Sie dazu gekommen?
Bei meinem Engagement im Ortsrat Stadtmitte lernte ich damals Elke Zitzke besser kennen. Elke war „Tafel“ und machte mich neugierig auf die Arbeit dieser Organisation. Im September 2009 trat ich dann dem Verein Wolfsburger Tafel e.V. bei und lernte: Was ist Tafel, was macht Tafel, was kann ich tun?
Bis ich für die Arbeit im Vorstand kandidiert habe, habe ich dann natürlich erstmal einarbeiten müssen. Schließlich stellte ich mich zur Wahl und wurde Schriftführer. Das Protokoll der Sitzungen ist mir noch heute sehr wichtig, weil es die Grundlage für eine effiziente und transparente Vorstandsarbeit unserer Organisation ist.
Das neue Jahr ist grad erst ein paar Wochen alt also ist es noch nicht zu spät einmal zurückzublicken: Mit welchen Herausforderungen sah sich das Team der Wolfsburger Tafel im letzten Jahr konfrontiert und wie schätzen Sie die Situation für 2025 ein?
Ich fange mit 2025 an: Ich bin zuversichtlich, dass die Verantwortung für die Tafel auf mehr Schultern verteilt wird und die Arbeitsmenge wieder gleichmäßiger verteilt wird.
2023 und 2024 hat viel Zeit von mir gefordert, ich arbeite nicht im Tagesgeschäft mit, sondern mehr in Verwaltung und Organisation. Fast immer im „Homeoffice“
Welches ist das schönste Erlebnis welches Sie mit Ihrem Ehrenamt bei der Tafel verbinden?
Eigentlich gibt es nicht das eine schönstes Erlebnis, aber viele schöne Erlebnisse: Während Corona mussten wir unsere gefährdeten „Alten“ nach Hause schicken und hatten Unterstützung von der Stadt Wolfsburg, die unseren „Systemrelevanten Lebensmittel Laden“ weitergeführt haben. Ich konnte organisieren, dass wir zweimal ein eigenes Impfzentrum in der Tafel hatten. Wir hatten Probleme mit tausenden Flüchtlingen aus der Ukraine, mit der Anwesenheit von Polizei und Ordnungsdienst konnten viele unnötige Reibereien vermieden werden. Wir haben unseren Eingang verlegt und unser Einlasspersonal hat einen Wetterschutz.
Suchen Sie aktuell nach Unterstützung im Team? Wenn ja, wie müsste bzw. könnte die aussehen?
Wir suchen immer nach Hilfen beim Transport und Fahrdienst, bei der Sortierung der gesammelten Lebensmittel nach dem Kriterium „das würde ich auch essen“ „das kann man keinem zumuten“, die Waren-Ausgabe an unsere Kundschaft braucht geduldige Mitarbeitende.
Der Kunde hat keinen Anspruch auf unsere Leistung, wir arbeiten ehrenamtlich und mögen kein „Anspruchsdenken“.
Unsere Interviews schließen wir immer mit der Frage ab wie unsere Interviewgäste im Freundes- und Bekanntenkreis für das Ehrenamt werden: Herrn Conradt, wenn Sie nach all den Jahren ihres Engagements für unsere Gesellschaft gefragt werden, warum Sie das tun, was antworten Sie?
Ich werde gebraucht, meine Arbeit bei der Tafel genießt ein hohes Ansehen bei einem großen Teil der Bevölkerung und das Gleiche gilt für alle unsere Mitarbeitenden. Das ist eine schöne Art der Wertschätzung! Leider ist unser Durchschnittsalter im Team ist sehr hoch – für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass unser Team wieder „jünger“ wird.
Ich bin jetzt 78 Jahre alt und arbeite mehr als 50 Jahre im ehrenamtlichen Bereich!