Interview mit Pia Hähnel – Sie hat eine Selbsthilfegruppe für Eltern von Sternenkindern ins Leben gerufen
Frau Hähnel, Sie haben sich persönlich an unseren Oberbürgermeister gewandt, mit der Bitte ihre Selbsthilfegruppe auf seiner Facebookseite vorstellen zu dürfen. Woher kam diese Idee?
Mein Mann hat Herrn Weilmann persönlich kennengelernt im Rahmen einer Veranstaltung unseres örtlichen Kegelvereins, wo Herr Weilmann ein Grußwort gehalten hat. Dadurch bin ich auf die Idee gekommen, ihn einfach mal anzuschreiben, damit er mir helfen kann meiner Herzensangelegenheit mehr Sichtbarkeit zu verschaffen.
Ich habe mich dazu auch schon an die örtlichen Zeitungen gewandt, worauf eine ausführliche Berichterstattung erfolgte. Ich erhoffe mir durch die Öffentlichkeitsarbeit das Thema „Sternenkinder“ mehr in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. Es ist leider immer noch ein Tabuthema, womit betroffene Eltern und Familien oft auf hilfloses Schweigen bei ihrem Gegenüber treffen. Das möchte ich gerne ändern!
Wie lange engagieren Sie sich denn schon für Betroffene?
Puh, das ist gar nicht so einfach zu beantworten und setzt sich aus mehreren Teilen zusammen. 2015 habe ich angefangen für Sternenkinder und Frühgeborenen zu nähen. 2016 verstarb mein Neffe Ben nach nur 9 Tagen an einem schweren Herzfehler und als ich dann 2021 selbst meine Tochter in der Schwangerschaft verloren habe, habe ich mein Engagement ausgeweitet. Seit Juni 2022 habe ich dann durch weitere Kontakte zu anderen Sterneneltern und das Nähen und Erinnerungen schaffen gemerkt, dass ich damit mehr in die Öffentlichkeit gehen möchte. Und eben auch die Gruppe gründen möchte. Erst als „fixe“ Idee und nach dem Teilnehmen bei der Stillen Wiege folgte dann die Umsetzung.
Mit dem Gründungstreffen am 24. Juli startet bald meine Selbsthilfegruppe „Sternenglanz“. Außerdem unterstütze ich schon länger das Projekt der Sternenbänder, welches von Nadja Frank initiiert wurde. Diese Armbänder dienen als Erkennungszeichen für Sterneneltern und sollen bei Bedarf die Kontaktaufnahme erleichtern, oder einfach das Gefühl geben, mit diesem Schicksal nicht alleine zu sein. Mehr Informationen dazu gibt es unter: www.sternenband.de
Wie können betroffene Eltern mit Ihnen Kontakt aufnehmen und wie sieht dann Ihre konkrete Hilfe aus?
Ich bin tagsüber ab 9 Uhr gut unter der Handynummer 01523 6333150 zu erreichen, gerne auch über WhatsApp. Außerdem findet man mich über meinen Instagramaccount pias_handgemenge.
Durch meine eigene Betroffenheit kann ich den Eltern nicht nur mein offenes Ohr anbieten, sondern deren Schmerz nachempfinden. Viele Fragen, die sich die Mütter und Väter stellen, habe auch ich mir gestellt und auf ein paar habe ich mittlerweile eine gute Antwort gefunden. Natürlich lade ich die Eltern auch in die Selbsthilfegruppe „Sternenglanz“ ein, habe aber auch Verständnis, dass dieses Angebot nicht für Jeden das Richtige ist. In einem Vorabgespräch lassen sich meist aber konkrete Ängste, oder Vorurteile über den Besuch bei uns ausräumen. Wichtig ist mir auch zu sagen, dass auch wenn die Gruppe in den Räumen der Kirche stattfindet, man keiner Konfession angeschlossen sein muss. Jeder ist gern gesehen, egal wie lang oder kurz der Verlust her ist.
Auch soll die Nummer gerne als direkte Kontaktaufnahme unmittelbar nach dem Verlust dienen. Viele SternenkinderEltern wissen erstmal nicht, wo sie anfangen sollen, was gemacht werden muss, was erlaubt ist, angefangen bei der Möglichkeit der Geburt bis hin zur Beerdigung und das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Deshalb wäre mein Wünsch quasi von „Anfang an“ kontaktiert zu werden, einfach um helfen zu können.
Was würden Sie Freunden und Bekannten im Umgang mit betroffenen Eltern raten? Meist geht mit dem Thema „Sterben von Kindern“ eine große Hilf- und Sprachlosigkeit des gesamten Umfeldes der Betroffenen einher, oder?
Leider ist das so. Es ist wichtig, betroffene Eltern in ihrem Empfinden und ihren Gefühlen ernst zu nehmen, ohne etwas kleinzureden, zu relativieren oder zu bewerten. Auch die Mama, die ihr Kind in der 7. Schwangerschaftswoche oder eher verloren hat, hat ein Recht traurig zu sein, ohne relativierende Ratschläge zu bekommen wie: „Ihr könnt ja noch ein Kind bekommen!“, „Es war doch noch so klein.“, „Wer weiß wofür es gut war, vielleicht war es krank.“ oder ähnliches.
Das Beste, was man für betroffene Eltern in dieser Situation tun kann, ist da zu sein und die Trauer mit auszuhalten – ganz egal wie lange sie dauert!
Natürlich weiß ich, wie schwer das ist. Es ging mir auch schon so, dass mir manchmal die richtigen Worte gefehlt haben. Bitte habt den Mut einfach ehrlich zu sein und zuzugeben, dass diese Ungerechtigkeit und dieser Verlust des jungen Lebens Euch überfordert und ihr nicht wisst, was ihr jetzt sagen sollt. Niemand kann den Verlust eines Kindes wiedergutmachen, aber man kann ihn „mit aushalten“. Wer das schafft, der hilft schon ungemein!
An dieser Stelle fragen wir ehrenamtlich Engagierte meist nach einer Art „Werbung“ für ihr ehrenamtliches Ehrenamt. Dies erscheint an dieser Stelle aber unpassend. Vielleicht könnten Sie uns trotzdem erzählen, ob und wie Sie das Engagement für Sterneneltern ganz persönlich bereichert?
Als selbst Betroffene ist es heilsam, anderen betroffenen Eltern zu helfen und ihnen Mut zu machen. Auch ich hätte mir damals jemanden gewünscht, an den ich mich wenden kann und der nicht nur berät, sondern ganz genau weiß, wie es mir gerade geht.
Zusätzlich hilft es mir selbst natürlich auch, denn wenn es mir gelingt, das Tabuthema „Sternenkinder“ mehr in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Nur dann wird es immer mehr Menschen geben, mit denen ich ganz normal über meine verstorbene Tochter „Rosalie“ sprechen kann, ohne lediglich auf betroffene Blicke oder hilfloses Schweigen bei meinem Gegenüber zu treffen. DAS ist das größte Geschenk, was man uns Sterneneltern machen kann – ehrliches Interesse an unseren Kindern. ❤️